Projekt Sofonisba

Bereits letztes Jahr hatte ich den Wunsch, endlich wieder etwas aus der Renaissance zu machen. Aktuell habe ich aus dieser Zeit nur zwei Kleider, die eher dem bäuerlichen Milieu zuordenbar sind. Etwas bürgerlich-adeliges muss her! 
Ich bin mal wieder über die Bilder der Sofonisba Anguissola gestolpert, einer Künstlerin zwischen 1540 und 1610, die mich jedes Mal aufs Neue in ihren Bann ziehen. Auch die Kleidung der gemalten Personen trifft genau meinen Geschmack. Wieder wird es keine Kopie einer Kombination - ich kann mich schlicht nicht entscheiden -, sondern eine Mischung aus mehreren Abbildungen und Details.

Already last year I had the wish to make something from the Renaissance again. Currently I have two dresses only from this era and both are rather peasent's dresses. Something mittle-class to noble has to come!
I stumbled again over the pictures of Sofonisba Anguissola, an artist between 1540 and 1610 that puts me under their spell every time I see them. The dresses of the painted women also are very much to my taste. Again it will not be an exact copy of a painting - I just can't decide over one only - but a combination of some pictures and details.


Sofonisba Anguissola: Bernardino Campi paints Sofonisba Anguissola, ~1559


Camicia

Das Hemd unter dem Obergewand ist unerlässlich. Irgendwo habe ich einmal den treffenden Satz gelesen, "es war das Kleidungsstück, mit dem man in der Welt ankam (das erste Kleidungsstück), und das, das einen als letztes blieb (das Totenhemd)". Es schützte die Oberbekleidung vor Schweiß und Körperschmutz und bewahrte die teuren Stoffe vor oftmaligem Waschen.
Heute habe ich dafür einen dünnen weißen Leinenstoff gefunden. Ich werde nach dieser Anleitung vorgehen.
Die einzelnen Paneele wurden gesäumt und anschließend mit dem "Wiener Stich" zusammengenäht. Zuletzt wurden die Manschetten und der Halsausschnitt mit einem einfachen Stich gerafft.

The shirt beneath the upper dresses is indispensable. Somewhere I read the apposite sentence that this was "the garment with which you were born (the first garment you got) and the last garment you'd wear (the shroud)". It protected the upper garments from sweat and other body dirt and protected the expensive fabrics therefore of washing them often.
Today I found a thin white linen. I will go for it with this instruction
The panels where seamed and then sewn together with the "Viennese stich". At last the cuffs and the neck were gathered with a running stich. 



















So sieht es getragen aus (die Schuhe sind falsch)
This is how it looks worn (the shoes are wrong)


Der Kirtle

Die Basis der Renaissancekleidung ist der Kirtle, ein relativ schlichtes Kleid. Ich habe meinen aus kirschrotem Leinen genäht, womit ich ihn auch im Sommer gut tragen kann. Im Gegensatz zu den englischen Kirtles hat der italienische Träger, die weiter nach außen ragen, also immer ein bisschen aussehen, als würden sie gleich von der Schulter fallen. Da ich eine relativ steile Linie vom Hals zu den Schultern habe, musste ich den Kompromiss wählen, sonst würde ich durch die ständig hinunterfallenden Träger zu genervt werden. Immerhin müssen da noch Ärmel dran. 
Der Spitz vorne am Oberteil ist etwas zu spitz ausgefallen, normal sind sie etwas größere Winkel. Da ich jedoch fast alles handgenäht habe, habe ich es nicht mehr aufgetrennt und geändert.
Der Kirtle ist seitlich zu schnüren, weil hinten unpraktisch ist ohne Helfer und vorne eine geschlossene Front hingehört. Richtiger wäre sicher eine Rückenschnürung.

The basic garment of the Renaissance dress is the kirtle, a rather plain dress. I made mine from cherry red linen that I can wear it in summer too. In contrast to the English kirtles the Italian ones have shoulder straps that are a bit more outwards so they look like as if they fall off the shoulders permanently. Because I have a rather steep line from neck to shoulders I had to make a compromise so I would not permantly get annoyed by fallen off staps. After all, sleeves will have to get attached to them.
The point at the bottom of the bodice has become a bit too pointy, normally the angle is a bit flatter. But I sewed everything almost by hand so I didn't unstich it.
My kirtle has a side lacing because at the back is very impractical without helping hands and the front is closed. More period would surely be a back lacing.


Die Innenseite des Kirtles: Man trägt keine separate Schnürbrust, stattdessen ist das Oberteil wattiert, also mit mehreren abgesteppten Lagen Stoff gefüttert. Bei mir sind es zwei Lagen steifes Hausleinen/Bauernleinen. Sie machen eine glatte, aber weichere Oberfläche als ein Korsett drunter. 

The inside of the kirtle: You don't wear seperate stays but instead the bodice is padded. That means it is lined with some quilted layers of fabric. I used two layers of stiff house linen or peasant's linen as we call it, a rough thick and sturdy fabric. The padding produces a smooth but softer front than a corset.


Das Oberteil ist noch dekoriert mit Samtbändern.
The bodice is decorated with velvet ribbons. 




Partlet


Über (manchmal unter?) dem Leibhemd trug man ein Partlet, um das Dekolletee und die Schultern zu bedecken (eher schmücken). In England trug man es drüber aus warmen Stoffen, weil man am Hemd ohnehin schon einen hochgeschlossenen Kragen hatte. In Italien ist das Hemd anders geschnitten und hört beim Ausschnitt des Kirtles auf. Also macht man für den Kragen ein extra Stück, das man reich verzieren kann mit Stickereien. 

Above (and sometimes beyond?) the chemise you wore a partlet to cover the decolletee and the shoulders (or rather decorate them). In England you wore it outside for warmth made of warmer fabrics because the chemise already had a high neck. In Italy the chemise had a different cut and ended at the top of the kirtle. So they created a piece of fabric for the neck that was highly decorated with embroidery.

1550-1555 Isotta Brembati Grumelli, by Giovanni Battista Moroni (Accademia Carrara, Bergamo, Provincia di Bergamo Italy)

Sofonisba Anguissola, The Artist's Sister Minerva Anguissola, ca. 1564.


Mein Partlet wurde von Hand genäht, der geraffte Kragen außen daraufgenäht. Die Rüschen stehen oben noch hervor. Davor habe ich noch die Innenseite der Kragenöffnung mit Blackwork bestickt, einer sehr beliebten Stickart der Renaissance (Bild links). Die Rüschen sind mit schwarzem Garn eingefasst (Bild rechts).

I sewed my partlet by hand, the gathered neck was attached on the outside. The frills are above it. But before that I embroidered the inside of the neck opening with blackwork, a very common type of embroidery throughout the Renaissance (picture left side). The frills were edged with black thread (picture right side).



Es folgt die Stickerei auf der Außenseite über die Falten, die dadurch zugleich flach gehalten werden. Das wird dauern... 

It follows the embroidery of the outside across the pleats that will therefore be flattened too. That will take a long time...



Tage später: Die Stickerei, und damit das Partlet, ist fertig! Die Stickerei mit den Rauten ist direkt einem Gemälde entnommen (das ich natürlich gerade nicht wiederfinde...).
Days later: The embroidery and therefore the partlet is finished! The embroidery with the rhombs is directly taken from a painting (that I can't find again now...).





Schwarzer Mantel
Black coat

Ein eng anliegender Mantel. Eine Husch-Pusch-Aktion, die innerhalb von 48h fertig werden musste. Im Nachhinein hätte ich mich für eine Wolle entschieden, die nicht tiefschwarz ist, oder einmal drüber gefärbt. Bleibendes Tiefschwarz war in der Renaissance eine extrem teure Farbe. Doch ich habe ein weißes Leinenfutter als Kontrast gewählt und damit fällt nachträgliches Färben aus, wenn ich es nicht noch einmal hineinnähen will. Also schwarze Wolle, weißes Leinen, Metallknöpfe, Organza (ja, nicht ganz historisch, aber günstig und zur Hand gewesen). Die Knopflöcher werden noch mit der Hand umnäht.
Den Leib muss ich noch etwas schmäler machen, der ist mir noch etwas zu groß.

A fitted gown. Quick and dirty, I had to make it in 48 hours. In retrospect I wouldn't choose deep black wool again or would have dyed once over it. Permanent deep black was an extremely expensive colour in the Renaissance. But I chose white linen for lining as contrast and therefore I can't dye it now unless I'd want to sew in the lining again. So black wool, white linen, metal buttons, organza (yes, not so accurate but cheap and already at hand). The buttonholes will be remade by hand. 
The bodice needs to be made a bit narrower, it's a bit too large for me.




Schmuck / Jewelry

Nach zahlreicher Recherche habe ich mich für eine kurze Kette aus roter Koralle entschieden. Neben einfachen Perlenketten, die mir natürlich zu alltäglich sind, waren Ketten aus roter Koralle besonders beliebt. Ich habe meine Koralle mit schwarzen facettierten Glasperlen gemischt, damit sie etwas abwechslungsreicher ist.

After long research I chose a short necklace made of red coral. Beside simple pearl necklaces which were of course too unexceptional for my taste, necklaces of red coral beads were highly favoured. I mixed my corals with black faceted glass beads to make it a bit more diversified.



Der Schleier
The veil

Der Schleier ist auf allen Bildern durchsichtig bis hauchdünn. Er wird auf oder hinter dem typisch italienischen Haarkranz befestigt. Hauben wie im Rest Europas waren nicht modern.
Mein Schleier ist aus einem Rechteck handgewebten Leinens aus Vilnius.

The veil is on every picture transparent to wafer-thin. It is attached to or behind the typical Italian hair wreath. Coifs like in the rest of Europe were not modern.
My veil is rectangular made of hand-woven linen from Vilnius.


Outdoor-Fotos by Gerald Schutting in Miramare, Triest (IT).


Was noch kommt:
What's to come:

Weißes Doublet
White Doublet

Dank Corona hängt die weiße Seide, die ich nach langer Zeit endlich gefunden hatte, in Amerika fest...
Thanks to corona the white silk I ordered after a very long search is stuck still in America...

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