Tutorial: Renaissancekorsett

Wie man ein Renaissancekorsett herstellt


Dieses Tutorial ist nicht für absolute Anfänger geeignet! 
Ich gebe keine Maße oder genauen Schnittmuster, weil jeder Körper anders ist und erfahrungsgemäß kein Korsett passt, das die Maße von anderen hat...

So ein Renaissancekorsett kann sehr wirksam sein wenn allein getragen von Mägden, ist unerlässlich unter Renaissancekleidern und kann als für die heutige Zeit äußerst züchtige Reizwäsche verwendet werden ;D Das Dekoltée damit ist nicht zu verachten.

Das Renaissancekorsett, wie es hier beschrieben ist, ist das, was man nach 1600 in England getragen hat, aber nicht ganz historisch korrekt wohl. Fakt ist, dass man einiges nicht weiß darüber. Das Ideal des weiblichen Körpers war ein sanduhrförmiger Oberkörper mit platten Brüsten, dafür ist dieses Korsett gut, es wurde damals als Unterwäsche getragen, man kann aber natürlich die Vorderseite mit schönem Stoff überblenden, dann hat man Korsett und Oberteil in einem. Wer jetzt meint, plattgedrückte Brüste und Sanduhrform täten doch weh, der irrt. Renaissancekorsetts sind wesentlich angenehmer zu tragen als etwa viktorianische, weil sie eben nur Gewebe platt drücken und die Taille selbst relativ wenig einzwängen. Ob man Träger macht oder nicht bleibt einem selbst überlassen, scheinbar gibt es für beides Belege. Die Schnürung sitzt meistens hinten, damit man es auch selbst schnüren kann, kann man vorne noch eine dazufügen. Das Effigycorset zeigt das beispielsweise: Schnitt



Die Quelle für die Renaissancekorsetts ist das Effigy Corset von Queen Elizabeth, die 1603 starb. Zwar gibt es Unklarheiten über die Datierung des Korsetts, aber das soll uns nicht weiter stören. Eine weitere Version wäre dieses etwas jüngere, in dem die Pfalzgräfin Dorothea Sabina von Neuberg 1598 begraben wurde. Da mir das aber nicht so gut gefällt, beschränke ich mich auf das obere. Funktionieren tun beide gleich, nur dass das jüngere eben die Brüste auslässt mit den Stäbchen.



Material:

1m sehr steifen Leinen (im Englischen wird "buckram" angeführt) zum Füttern (ca. 3€ bei mir)

1/2 m Deckstoff: kann irgendetwas sein, nur nicht zu dick

Zwirn in der gewünschten Farbe

Garn für Nestellöcher

ca. 1,5 bzw. 3 m reißfestes schmales Band für die Schnürung(en)

eine Nadel, Schere, Nähmaschine, das Übliche

Rattanstäbchen: gibts im Bastelbedarf, kostet etwa 5€, ist wohl am nächsten am Original, reicht für ca. 9 Korsetts!

Alternativ gehen auch Stahlstäbchen und Spiralstäbe, aber die sind einerseits natürlich historisch fragwürdig bzw. unkorrekt, fühlen sich nicht so an wie Rattanstäbchen vom Biegverhalten her, kosten mehr und gehen schwerer abzuzwicken. Die amerikanische Reenactmentszene schwört auf Kabelbinder, die sind auch sehr günstig, ich habe aber keine Erfahrung damit. Es gibt auch Plastik-Corsagestäbchen, allerdings ist die Qualität sehr unterschiedlich! Die schlechten behalten irgendwann ihre Form und stehen dann meistens nach vorne weg. 
Ein Tip, den ich bekommen habe, war auch Rigeline zu verwenden. Wahrscheinlich teurer in der Anschaffung, soll es maschinenwaschbar sein. Ich selbst habe damit jedoch noch keine Erfahrungen und kann daher wenig dazu sagen.

Zeitaufwand: 1 Tag

Oben Rattanstäbe, Mitte Steifleinen, unten Deckstoff (bei mir eine Baumwollmischfaser)





Arbeitsschritte:


1. Der Schnitt: Das schwierigste. Am besten macht man dabei den ersten Schnitt aus einem billigen Stoff und justiert ihn so lange, bis er passt. Das allerwichtigste, damit es nachher bequem sitzt, ist, dass es entweder knapp unter den Rippen endet, das ist fast Muss bei solchen Korsetts, die unsichtbar mit aufgenähtem Außenstoff getragen werden sollen, oder über die Hüftknochen reicht. Das hier besprochene wird ein "Unterwäschekorsett" mit zweitem.

Zum Beginn kann man diesen Schnittgenerator verwenden:http://www.elizabethancostume.net/custompat/ Aber Achtung, Inches angeben!



2. Zwei Mal den Schnitt aus dem Futterleinen zuschneiden, ein Mal aus dem Deckstoff. Wer eine Überblendung möchte, lässt ihn noch weg. Wenn man die kurze Variante macht, reicht es, Vorder- und Rückenteil aus einem einzigen Stück zu schneiden, bei der langen habe ich zumindest es noch nicht hingebracht. Die Teile werden einmal zusammengenäht an der Seite und an den Enden. NICHT oben und unten!






3. Die Stäbchen: von der Kante, wo der Stoff in die Achseln abbiegt, eine gerade Linie zum Spitz anzeichnen (siehe Bild). An dieser Linie näht man entlang für den ersten Tunnel. Die Breite der Rattanstäbchen entspricht genau der halben Breite des Nähmaschinenfüßchens, das bedeutet, wenn man die Nadel in der Mitte stehen hat, kann man genau entlang der Nähte mit dem Füßchenrand fahren.

Zuerst macht man am besten die schrägen Tunnel. Sie reichen von dieser Linie etwa 9, 10 cm nach außen. Bei Kanten lässt es sich natürlich schön damit abschließen (siehe Bild) Dann folgen die vorderen senkrechten. Die Stäbchen auf der Rückseite und der restlichen Vorderseite verlaufen ebenfalls senkrecht entlang der Schnürungskante hinten. Dort kann man 2 cm ganz tunnellos lassen, dort kommen später die Nestellöcher hin.

Jetzt noch schnell einmal die Unsauberheiten rundherum abschneiden, damit keine Kanten überstehen.

Wer sich jetzt wundert, wieso der breite Mittelstreifen ausgelassen wird: Hier kommt entweder ein Holzstäbchen oder etwas ähnlich Unbiegbares rein, wer möchte kann es machen, ich habe nichts zum Reintun und bei einer Vorderschnürung entfällt es dazu. Es sind auch gar nicht alle Stäbchen notwendig, am wichtigsten sind die schrägen bzw. die um die Brust, und die, die die Schnürung aufrecht halten, ohne jene würde sich der Stoff zwischen den Löchern zusammenziehen. Da man Rattan leicht biegen und knicken kann, braucht man mehrere Tunnel immer nebeneinander. Ein Korsett mit 40-50 Stäbchen ist ausreichend (siehe Link im übernächsten Punkt), ein vollbestabtes ist natürlich besser ;)





4. Stäbchen einziehen: Die Rattanstäbchen legt man außen an die Tunnel an und schneidet sie so ab, dass sie außen (oben, unten, nicht aber dort, wo sie gegen einen anderen Tunnel stoßen) zwischen einen halben und einem Zentimeter zu kurz sind. Das ist wichtig, weil sie sonst rausrutschen und mans nicht zunähen kann, und weil sie später durch den Stoff stechen können. Dann zieht man die Stäbchen zwischen den beiden Schichten Futterstoff ein. Keine Angst, sie sind noch vorgeformt durch die lange Lagerung in Bündeln, das gibt sich durchs Tragen aber immer mehr. Und bitte nicht mit den Fingerspitzen knicken, am nächsten Tag schmerzen die Fingernägel auf den kleinsten Druck...


5. Einmal herumnähen, damit alle Stäbchen gut verstaut sind, und dann entweder mit Schrägband einfassen oder überblenden. Dazu den Schnitt vom soweit fertigen(!) Korsett übernehmen und 2 cm größer zuschneiden. Festpinnen am Korsett und innen mit außen unsichtbaren Stichen händisch festnähen, dass sich der Stoff außen gerade spannt und keine Falten wirft. Das ist etwas nervig und langwierig, bis man es hat.

Ich habe den Deckstoff gleich mitgenäht, die Nähte können ja auch dekorativ wirken :) Damit sieht es dann etwa so aus wie am oberen Bild.


6. Nestellöcher nähen: Die Spiralschnürung war die am weitesten verbreitete Art. Wem es nicht gefällt, der kann natürlich auch Kreuzschnürungen verwenden, die brauchen aber die doppelte Bänderlänge.

Die Nestellöcher sticht man am besten mit einem Pfriem oder einer spitzen Haarnadel, es sollte möglichst wenig Stoff beschädigt werden, ohne geht es kaum. Dann näht man mit dem Zwirn oder einem dünnen Garn immer herum. Anleitungen für den Stich gibts überall zu finden.

Grundsätzlich kann man natürlich auch Knopflöcher mit der Maschine nähen oder Ösen verwenden, wenn es aber keine teuren Korsettösen sind, bringt das wenig, weil beide Methoden recht bald ausreißen werden.






7. Anziehen und hoffentlich freuen. Achtung, es kann süchtig machen ;)

Und so siehts angezogen dann aus, wenn man alles richtig gemacht hat:





Nachtrag:

Vorne (neben der Schnürung oder in der Mitte) haben Renaissancekorsetts oft ein bzw. zwei starkte Stäbchen aus Bein oder Holz, die ca. 1 cm breit sind und auch verziert sein können. Lange wusste ich nicht, wie Otto Normalverbraucher das ohne viel Arbeit machen kann, bis ich vor Kurzem den Tip bekam. Man nehme ein handelsübliches 30 cm langes Holzlineal, säge es in der Mitte längs durch und schleife die Kanten gut ab. Die festen Stäbchen verbessern die Optik sehr stark und verdrängen die Oberweite noch besser in die richtige Form .



Ein paar Links noch:

http://www.elizabethancostume.net/corsets/index.html alles über Renaissancekorsetts

http://www.elizabethancostume.net/index.html alles über (englische) Renaissancemode

http://www.rsc.org.uk/shop_images/11110-the-tudor-tailor-extra-1.jpg die Bibel für alle, die etwas Handfestes wollen

Weitere dürfen gerne genannt werden :)

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